Kunst, Identität, Vernähung – bei Annegret Soltau
- Inner Wheel Club Taunus
- 20. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Juni

Am Freitag, den 20. Juni 2025, traf sich unsere Kunstgruppe unter der Leitung von Clubfreundin Katrin Schrewe zu einem inspirierenden Zwischenmeeting im Städel Museum. Thema dieser Begegnung war die Ausstellung „Unzensiert – Annegret Soltau – Eine Retrospektive“ – ein beeindruckender Ausflug in den feministischen Diskurs der zeitgenössischen Kunst.
Die Kunsthistorikerin Berby Krägefsky führte uns – wie gewohnt – mit großer Expertise durch die Ausstellung. Sie eröffnete die Führung mit dem Eingeständnis, dass viele BesucherInnen zunächst Vorbehalte gegenüber Soltaus Werken hegten. Diese Berührungsängste nahm sie zum Ausgangspunkt ihrer Erläuterung: Sie machte deutlich, welch herausragende Position Soltau in der feministischen Kunst einnimmt, und erklärte, warum diese erst jetzt gebührend anerkannt wird.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf Soltaus markanten Faden-Arbeiten. Mit schwarzem Nähgarn vernähte sie fotografische Selbstporträts – über Mund, Augen, Stirn, ganze Gesichtspartien. Diese „Fotovernähungen“ wirken oft verstörend und verletzlich zugleich: Die Fäden scheinen zu fesseln, zu verstummen, zu fixieren – und machen so eindrücklich sichtbar, wie Frauenrollen durch äußere Erwartungen, Zuschreibungen und gesellschaftliche Zwänge geformt werden.
Berby Krägefsky zeigte uns, wie konsequent Soltau dabei ihr eigenes Gesicht und ihren Körper als Material verwendet. Das Persönliche wird zur Projektionsfläche für das Allgemeine.

Besonders eindrucksvoll in diesem Zusammenhang: die Serie „generativ“. Hier kombiniert Annegret Soltau Fotos ihrer Mutter, Großmutter, Tochter und sich selbst – in handvernähten Collagen, die familiäre Linien buchstäblich sichtbar machen. Die Gesichter der vier Generationen überlagern sich, verschmelzen, zerfallen wieder. Die Nähte zwischen den Fragmenten sind bewusst roh belassen: Identität erscheint hier als etwas Zusammengesetztes, von außen Geprägtes, sich stetig Wandelndes.
Diese Arbeiten laden ein, über Vererbung und Prägung nachzudenken – über das, was wir weitergeben, ob wir wollen oder nicht. Über die Nähe zwischen weiblicher Körpergeschichte und kollektiver Erinnerung.
In weiteren Arbeiten widmet sich Soltau ihrer eigenen Schwangerschaft – und zwar mit einer Radikalität und Unmittelbarkeit, die zu ihrer Zeit höchst ungewöhnlich war. Statt idealisierter Mutterschaft zeigt sie körperliche Veränderung, Irritation, Fremdheit – und stellt damit auch die gängigen Bilder von Weiblichkeit infrage.
Die Vielschichtigkeit der Arbeiten führte zu lebhaften Gesprächen in unserer Gruppe: Es ging um die Darstellung von Frauenbildern, um Zuschreibungen, Erwartungen – und darum, wie aktuell Soltaus Fragen bis heute geblieben sind.
Zum Ende der Führung bedankten sich alle herzlich bei Berby Krägefsky – für ihre kluge, einfühlsame Vermittlung und die historische Einordnung von Annegret Soltaus Werk. Auch Katrin Schrewe wurde für die Organisation des Nachmittags und die Einladung zur Ausstellung herzlich gedankt.